Das Unbekannte besiegen

09.02.2020
Patientengeschichten
Jahresbericht 2019

Umgang mit der Diagnose

Da die meisten Menschen nur sehr leichte Symptome haben, wird die Krankheit Schätzungen zufolge bei 90 % der Betroffenen nicht diagnostiziert.

VWS ist die häufigste erbliche Blutgerinnungsstörung. Es wird angenommen, dass 1 % der Weltbevölkerung davon betroffen ist.

Die schwerwiegendste Form von VWS ist Typ 3, bei dem der Von-Willebrand-Faktor nur in sehr geringem Maße vorhanden ist oder völlig fehlt.

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Nelly, Mutter von drei Kindern aus Botswana im Süden Afrikas, weiß nur zu gut, was es bedeutet, keinen Zugang zu Medikamenten und Behandlungsmöglichkeiten zu haben. Ihre jüngste Tochter Sebaga (11) wurde mit dem Von-Willebrand-Syndrom (VWS) geboren, die Diagnose erhielt sie aber erst im Alter von sieben Jahren.

Die meisten Menschen verbinden mit der Subsahara-Nation Botswana ihre reiche Tierwelt oder die atemberaubenden Landschaften, die endlosen Weiten der Kalahari und das kristallklare Wasser des Okavangodeltas. Aber es gibt auch noch ein anderes Botswana, ein vibrierendes Land, das sich in den letzten Jahren von einem der ärmsten Länder der Welt zu einem mit mittlerem Einkommen gemausert hat.

Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist in Botswana aber nach wie vor eine große Herausforderung. Mangelnde Aufklärung, wenig medizinisches Fachwissen und kaum Ausrüstung zur Diagnose bestimmter Blutungsstörungen wie VWS sind ein ernsthaftes Problem. Das bedeutet, dass Patienten wie Sebaga mit Blutungsstörungen sehr anfällig sind. Aktuell liegt die Anzahl der Patienten mit diagnostiziertem VWS in Botswana bei sechs, und das in einem Land mit über zwei Millionen Einwohnern. Mit Initiativen zur kontinuierlichen medizinischen Fortbildung unterstützt Octapharma Ärzte durch Aufklärung über Blutungsstörungen, damit mehr und mehr Patienten wie Sebaga auch eine Diagnose bekommen.

Die Intuition einer Mutter

Als Sebaga geboren wurde, bekam sie von der Krankenschwester eine Immunisierungsspritze. Die Einstichstelle blutete noch mehr als einen Tag weiter. Im ersten Lebensmonat stellte Sebaga’s Mutter noch weitere längere Blutungen fest, auch bei ganz kleinen Kratzern. Nelly machte sich Sorgen. Sie hatte dies weder bei ihrem älteren Sohn noch bei ihrer älteren Tochter als Baby beobachtet. „Irgendetwas stimmt hier nicht, sagte ich mir“, erinnert sie sich.

In ihrer frühen Kindheit erlebte Sebaga immer wieder Blutungen, wegen derer sie ins Krankenhaus musste. Manch innere Blutung war für das kleine Mädchen lebensgefährlich. Sie war erschöpft, litt häufig unter starken Kopfschmerzen und konnte wegen der Schmerzen oft nicht einmal gehen.

„Sebaga’s Zustand wurde immer schlechter, und zweimal fiel sie ins Koma“, erinnert sich ihre Mutter. Sie bekam fünfmal eine Bluttransfusion, aber niemand kannte die Ursache für ihre Probleme.

Verzweifelt auf der Suche nach einer Antwort rannte Nelly zwischen Kinderarzt und Onkologe hin und her. „Nach zahlreichen Befunden wurden wir endlich zu einem Hämatologen geschickt, der uns sagte, dass es möglicherweise das Von-Willebrand-Syndrom sein könnte“, erzählt Nelly.

Umgang mit der Diagnose

Jetzt hatte Nelly eine Antwort, aber sie verstand sie noch nicht ganz. Was noch schlimmer war: Ein Bluttest ergab, dass das kleine Mädchen VWS Typ 3 hatte – die seltenste und schlimmste Form der Erkrankung. Sebaga war zu dem Zeitpunkt gerade einmal siebeneinhalb Jahre alt.

Nelly fühlte sich überfordert und ihr fehlten Informationen. Sie erinnert sich: „Bis dahin hatte ich zwar von Hämophilie gehört, aber ich wusste sonst nichts über andere Blutungsstörungen.“

VWS ist die häufigste erbliche Blutungsstörung. Sie wirkt sich auf die Blutgerinnung im Körper aus. Es gibt drei Typen dieser Erkrankung: Typ 1, 2 und 3. Bei Patienten mit VWS führt eine Genmutation dazu, dass das entscheidende Blutgerinnungsprotein, das man auch den Von-Willebrand-Faktor (VWF) nennt, entweder gar nicht oder fehlerhaft produziert wird. Als Behandlung erhalten Patienten intravenöse Infusionen mit VWF-Konzentrat.

VWS ist oft unterdiagnostiziert und betrifft geschätzt 1 % der Weltbevölkerung, aber die Prävalenz von Patienten mit Symptomen und Behandlungsbedarf sollte etwa bei 1 von 5000 liegen. Man geht davon aus, dass 90 % der behandlungsbedürftigen Patienten nicht wissen, dass sie die Krankheit haben, und somit unbehandelt bleiben.

Für Nelly war es ein Schock, von einem örtlichen Spezialisten für Blutungsstörungen zu hören, dass ihre Tochter die einzige sei, die zu diesem Zeitpunkt in ihrem Land die Diagnose VWS Typ 3 hatte.

Aber Nelly erklärt weiter, dass Sebaga’s Diagnose auch noch weitere Sorgen mit sich brachte: „Welche Art der Behandlung würde anschlagen? Wie sollte ich dafür bezahlen und wie sollte ich die verlorene Arbeitszeit ausgleichen?“ Nelly ist alleinerziehende Mutter dreier Kinder. „Ich hatte Alpträume aber ich war auch entschlossen, für meine kleine Prinzessin zu kämpfen“, so Nelly.

Anpassung an ein neues Leben

In der pulsierenden Hauptstadt Gaborone bereitet Nelly, drei Jahre nach Sebaga’s Diagnose, gerade das Abendessen für ihre Familie zu. Heute gibt es selbstgemachte Nudeln mit Salat und gebackenen Tomaten, die sie in ihrem Garten geerntet hat. „Mein kleines Baby war so schwach“, erklärt Nelly mit einem Blick zu Sebaga, die mit dem Nudelteig spielt. Sofort blickt die Kleine zu ihrer Mutter auf, mit einem Stück Teig in Herzform in der Hand, lächelnd. „Sie hilft mir so gern beim Kochen und sie gestaltet den Teig gern kreativ.“ Nelly lächelt: „Unser Leben ist so viel besser geworden, seit wir wissen, womit wir es zu tun haben.“

Ende 2017 begann Sebaga ihre Behandlung mit wilate®. Heute bekommt sie eine wöchentliche Prophylaxe und regelmäßige Nachuntersuchungen alle drei Monate bei einem Kinder-Hämatologen. Wie viele Kinder ihres Alters, ist Sebaga sehr neugierig und immer auf Achse.

Heute mit 11 Jahren ist sie nicht nur hübsch und abenteuerlustig – wie ihre Zeichentrickheldin Prinzessin Sofia – sie ist auch stark an der Behandlung ihrer Krankheit beteiligt und lernt, mit VWS zu leben. Sie interessiert sich für Wissenschaft und versteht ihre Krankheit, lernt die Fachausdrücke und kann bei Besuchen in der Klinik aktiv an den Gesprächen teilnehmen.

Im Esszimmer der Familie sitzend erklärt Nelly: „Ohne den Zugang zu ihrer Behandlung könnte sie nicht die Dinge tun, die ihr Spaß machen, mit den Menschen, die sie liebt. Jetzt ist alles so viel besser! Keine langen Blutungen mehr.“

Sebaga hat die Geschichte schon oft gehört, aber während ihre Mutter spricht, lehnt sie sich an sie. „Trotz allem“, betont Nelly, „inspiriert mich Sebaga, im Leben mehr zu tun. Wir haben zusammen viel durchgemacht –wir sind voller Hoffnung und Liebe!“

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Haemophilia